Kommentar: Schottische Verhältnisse in der Bundesliga?

Es war im Jahr 2013 als der damalige BVB-Trainer Jürgen Klopp über die Stärkenverhältnisse innerhalb der Bundesliga eine Prophezeihung kundtat, die sich bewahrheiten sollte. Uli Hoeneß äußerte damals seine Sorge, dass es in der Bundesliga spanische Verhältnisse geben könnte. Dort machen seit Ewigkeiten in aller Regel der FC Barcelona und Real Madrid die Meisterschaft unter sich aus. Für viele deutsche Fußballfans wären spanische Verhältnisse also durchaus wünschenswert, würden sie doch wenigstens für etwas Spannung sorgen.

2013 war auch in Deutschland die Fußballwelt noch halbwegs in Ordnung. Klar, auch damals jammerte der neutrale Fußballfan schon darüber, dass der FC Bayern mit seinen finanziellen Mitteln einen unfairen Vorteil hätte. Aber 2013 entthronten die Bayern die Borussia aus Dortmund, die 2011 und 2012 die Meisterschale gleich zwei Mal in Folge in den Pott holten. Seitdem haben die Münchener die Meisterschale nicht mehr aus der Hand gegeben. Elf Jahre am Stück!

Jürgen Klopp hat das wie gesagt kommen sehen. Bei der Pressekonferenz vor dem Champions League Halbfinale 2013 zwischen Dortmund und Real Madrid sagte er, er fürchte keine spanischen, sondern viel mehr schottische Verhältnisse in der Bundesliga. Damals hatten die Schotten für einige Jahre die Situation, die wir heute in der Bundesliga kennen: Ein Team, das fast sicher Meister wird. Damals sah es in Schottland ganz so aus, als wäre dieses Szenario für alle Zukunft vorbestimmt. Nachdem die Glasgow Rangers 2011 wieder einmal die schottische Meisterschaft gewonnen hatten (immer im munteren Wechsel mit dem Stadtrivalen Celtic Glasgow) mussten sie 2012 Insolvenz anmelden. Es folgte der Zwangsabstieg von Liga 1 in Liga 4! Celtic hatte keine Konkurrenz mehr und war von 2012 bis 2020 durchgehend schottischer Meister ehe sie 2021 von den zwischenzeitlich wieder erstklassigen Rangers entthront wurden (2022 und 2023 konnte Celtic dann allerdings wieder jubeln). Im Vergleich zu Celtic haben die Bayern also eindeutig die Nase vorn: elf Jahre gegenüber neun Jahren am Stück!

Aktuell ist nun endlich wieder einmal Spannung in der Bundesliga. Bei Bayern München läuft es nicht rund. Platz 2 hinter Bayer Leverkusen, die es selbst in der Hand haben ihren früheren Spitznamen Vizekusen abzuschütteln. Zu diesem wenig schmeichelhaften Spottnamen kam die Werkself um das Jahr 2000 herum als es zwar gut lief, aber am Ende doch mit den Titeln nicht klappen wollte. In der Saison 1999/2000 griff Bayer 04 schon einmal mit einer Hand nach der Meisterschale. Vor dem 34. Spieltag hatte Bayer drei Punkte Vorsprung vor den Bayern und verfehlte die sicher geglaubte Meisterschaft durch ein Eigentor von Michael Ballack gegen Aufsteiger SpVgg Unterhaching. Zwei Jahre später, in der Saison 2001/02 träumte Bayer dann sogar vom Gewinn der Champions League als die Werkself im Finale stand, dann allerdings (in Glasgow) 2:1 gegen Real Madrid verlor und auch hier nur Zweiter wurde. In der selben Saison belegte Leverkusen erneut Platz 2 in der Bundesliga und verlor das Finale des DFB-Pokals. Die Fans der Bayer-Elf werden also wahrscheinlich erfahren genug sein, nicht zu früh mit dem Feiern zu beginnen.

Es wäre nicht nur den Leverkusenern zu wünschen, dass der Traum der Meisterschaft dieses Jahr in Erfüllung gehen wird. Das „Produkt Bundesliga“ würde enorm davon profitieren und damit auch Bayern München. Fußball lebt von der Spannung und der daraus resultierenden Emotionen. Ist keine Spannung vorhanden, so sinkt die Attraktivität der Liga und darunter leiden letztendlich auch irgendwann die Bayern. Insbesondere bei der Auslandsvermarktung der Bundesliga könnte das irgendwann zum Problem werden.

Noch sind zwölf Spieltage zu spielen, bevor der deutsche Meister 2024 gekürt wird, da kann noch viel passieren. Mit der heutigen erneuten Niederlage der Bayern ist die Überraschung aber etwas wahrscheinlicher geworden. Leverkusen hat nun acht Punkte Vorsprung vor den Titelverteidigern aus München. Hoffen wir, dass Leverkusen seine Chance nutzt. Die Freude bei den Leverkusener Fans und Vereinsverantwortlichen dürfte ganz anders ausfallen als bei den erfolgsverwöhnten Münchnern.

6 Gedanken zu „Kommentar: Schottische Verhältnisse in der Bundesliga?“

  1. Früher hätte man zu diesem Zeitpunkt und bei dem Punktvorsprung den Bayern vorzeitig zur Deutschen Meisterschaft gratuliert.
    Also mache ich das als Bayern Fan jetzt auch.

    Glückwunsch an Leverkusen zur Deutschen Meisterschaft 2023/24
    Zur verdienten Meisterschaft, wohlgemerkt.

    Über das ganze Drama bei den Bayern rund um das Thema Tuchel und Mannschaft,
    braucht man eigentlich gar nichts mehr schreiben.
    Da passt hinten und vorne nichts zusammen und das wird auch nichts mehr werden.
    Es hat aus meiner Sicht von Anfang an nicht gepasst.
    Die baldige Trennung wird hoffentlich schnellstens vollzogen.

    Allein schon wenn man sich die Interviews von Tuchel nach den letzten Spielen anschaut und anhört, da dankt man wirklich er hat andere Fussballspiele gesehen und kritikfähig ist auch was anderes, als was er zum Teil als beleidigte Leberwurst von sich gibt.

    Warum warten die Bosse so lange mit einem Rauswurf ?
    Oliver Glassner hätte super zu Bayern gepasst und den hat man jetzt schon das 2x verpennt.
    Außer Kloppo, der sich 1 Jahr Auszeit nimmt, sehe ich keinen der bei Bayern jetzt den Hebel wieder umlegen kann.
    Vielleicht ein Hansi Flick nochmal ?
    Lassen wir uns überraschen und langweilig wird es in nächster Zeit bestimmt nicht.

    Grüße Josef

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    • Ich denke es ist noch zu früh um Leverkusen zu gratulieren. Acht Punkte Vorsprung sind solide, aber noch zu wenig um einen Gang runter zu schalten.

      Klopp bei den Bayern wäre sicher spannend, aber als Nationaltrainer würde ich ihn eigentlich lieber sehen. Da wäre aber wahrscheinlich das Timing schlecht, wenn er nach der EM erstmal eine Auszeit nimmt.

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  2. Ich glaube diese „Schottischen Verhältnisse“ wird es in Zukunft auch nicht mehr geben.
    Jedenfalls nicht in den größeren Ligen.
    Selbst in Schottland wird es kaum mehr machbar sein.

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    • Ich denke in Schottland wird es so sein, dass Celtic und die Rangers sich unregelmäßig abwechseln werden. In Deutschland besteht für mein Gefühl schon die Gefahr, dass es in Zukunft so weitergeht wie bisher (auch wenn es dieses Jahr vielleicht mal eine Ausnahme gibt und die Serie von Leverkusen ein Mal unterbrochen wird). Aber ich hoffe, ich irre mich 🙂

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  3. 3 Niederlagen in 25 Spielen bzw. Niederlagen in 22 Spielen, Platz 3 bzw. Platz 2 – viele Vereine hätten gerne die „Krise“ von Barca bzw. Bayern. Aber Anspruch und Selbstverständnis sind bei diesen erfolgreichen Vereinen natürlich höher.
    Ich würde mich mittlerweile über jeden Meister freuen, der nicht FCB heißt. Sollte Leverkusen es tatsächlich schaffen, steht der Ausverkauf bevor (falls nicht ohnehin am Saisonende) und es könnte ihnen so gehen wie z.B. Stuttgart, Kaiserslautern oder Leicester, die das Niveau nicht halten konnten und anschließend nur noch in der Erinnerung schwelgen.
    Die „schottischen “ Verhältnisse lassen sich leider auf viele Länder übertragen, mit länderspezifischen Eigenheiten, was die Zahl der Meisterschaftskandidaten betrifft,
    sei es Spanien, Italien, England, Türkei,…: Die Meisterschaft eines Außenseiters bleibt die Ausnahme.
    Klopp wird zum Saisonende hocherhobenen Hauptes gehen, Tuchel wohl eher mit lauwarmen Dankesworten verabschiedet.

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    • Ja das stimmt. Die meisten Teams in der Bundesliga wären froh, sie könnten mit den Bayern tauschen. Und was man außerdem sehen muss:
      Letzte Saison hatte Bayern nach dem 22. Spieltag 46 Punkte (und war erster, punktgleich mit Dortmund). Jetzt sind sie Zweiter und haben 50 Punkte. So gesehen, sind sie dieses Jahr besser als letztes Jahr, nur dass letztes Jahr halt niemand stärker war.

      Es ist wirklich zu befürchten, dass Leverkusen im Falle eines Meistertitels (oder auch so wahrscheinlich) gute Spieler verlieren wird. Aber die daraus resultierenden Ablösesummen und auch die Prämien für Meisterschaft und höhere TV-Einnahmen, etc. tun Leverkusen sicher gut. Aber eine Meisterschaft reicht natürlich nicht aus um langfristig aufzuschließen.

      Ja in der Tag, die meisten Länder haben nur eine kleine Zahl an Meisterschaftskandidaten, aber immerhin haben sie mehrere, wenigstens zwei. Dortmund, die man um die Jahrtausendwende als zweiten Kandidaten sehen konnte, hat es leider nicht geschafft diese Rolle zu übernehmen.

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